1. Herstellung von Nitrocellulose

Ausgangsstoff für die Nitrocellulose ist die Cellulose, wobei die der Baumwolle am geeignetsten ist. Als bestes Rohmaterial sind Abfälle aus den Baumwoll- und Garnspinnereien zu nennen (BAK R25/132, KEDESDY 1909). Sie bildeten im 1. Weltkrieg die Rohstoffbasis zur Produktion von Nitrocellulose. Daneben wurde Rohbaumwolle (Linters) sowie Holzcellulose (Sulfitcellulose) eingesetzt. Letztere wurde auch schon im 1. Weltkrieg benutzt. Sie fand ab den 30er Jahren im steigenden Maße Verwendung (BA/MA RH 3/252, BAK R25/132, VOIGT 1913).
Die zweite wesentliche Komponente ist die Nitriersäure. Sie besteht aus einer Mischung von Salpetersäure und Schwefelsäure. In Abhängigkeit vom benötigten Stickstoffgehalt muß bei höher nitrierten Nitrocellulosen die Schwefelsäure durch Oleum ersetzt werden (BA/MA RH 3/252). Oleum ist eine Lösung von Schwefeltrioxid in konzentrierter Schwefelsäure.
Die Bilder 2-2 und 2-3 stellen den Rohstoffbedarf und Säurefluß für die Herstellung von Nitrocellulose mit einem Stickstoffgehalt von 11,0 - 11,2 % (sog. Collodiumwolle) bzw. 13,2 - 13,2 % (sog. Schießbaumwolle) dar. Während die Herstellung von Collodiumwolle nur den Einsatz konzentrierter Schwefelsäure verlangte, war bei der Erzeugung von Schießbaumwolle die Verwendung von Oleum erforderlich. Im Gegensatz zu den Nitrierungen anderer organischer Körper trat hierbei ein starker, z. T. sogar restloser Verlust des eingesetzten Oleums auf, der durch die große Verdünnung der Schwefelsäure beim Waschprozess bedingt war, die eine Wiederkonzentration der Säure unwirtschaftlich machte (BA/MA RH 3/252).
Der Herstellungsvorgang läßt sich in die vier Teilbereiche
- Aufarbeitung der Cellulose,
- Nitrierung der Cellulose,
- Waschen und Stabilisierung sowie
- Säureregeneration
gliedern.
.i.Bild 2-2 Collodiumwolle - Herstellung - Rohstoffbedarf ;
.i.Bild 2-3: Nitrocellulose - Herstellung - Rohstoffbedarf ;
Der Verfahrensgang wird u. a. bei ESCALES, ECKELT, KAINER, KEDESDY, ULLMANN, VOIGT sowie in BIOS 1039, CIOS XXVII-73, CIOS XXXII-86 in unterschiedlicher Ausführlichkeit beschrieben (ECKELT 1926, ESCALES 1905, KAINER 1950, KEDESDY 1909, ULLMANN "Sprengstoffe" 1965, VOIGT 1913). Verfahrensveränderungen, die wesentliche Auswirkungen auf das Kontaminationspotential bewirken, sind jedoch im betrachteten Bearbeitungszeitraum nicht zu verzeichnen. Auf der Grundlage der o. g. Quellen ergibt sich das in Bild 2-4 dargestellte Verfahrensschema.
Aufarbeitung der Cellulose
Aufgrund der hohen Reinheits-Anforderungen, die an die zu nitrierende Cellulose gestellt werden, müssen abhängig von den eingesetzten Rohmaterialien (i. w. Baumwolle oder Holzzellstoff) unterschiedliche Aufarbeitungsschritte durchgeführt werden.
Aufarbeitung von Baumwolle
Sowohl die Rohbaumwolle als auch die Baumwollabfälle bedürfen vor der Nitrierung einer Reinigung. Die Rohbaumwolle enthält eingetrocknete Zellstoffreste, Protoplasma und deren Zersetzungsprodukte, Pflanzenleime und -fette etc., die entfernt werden müssen. Bei der Abfallbaumwolle kommen noch Verunreinigungen wie Maschinenöl, Schweiß, Staub etc. hinzu (VOIGT 1913).
Werden diese Verunreinigungen nicht entfernt, so können z. B. Selbstzersetzungen und Brände beim Nitrieren auftreten und die Lagerbeständigkeit der Nitrocellulose wird herabgesetzt bzw. der Aufwand zum Stabilisieren wird beträchtlich größer. Auch die Anwesenheit von Metallteilchen ist zu vermeiden, da sie sich nur schwer von der Faser auswaschen lassen und dann katalytische Zersetzungsvorgänge einleiten können (VOIGT 1913).
Bild 2-4
Zur Reinigung der Baumwollen sind unterschiedliche Methoden in Gebrauch. Üblicherweise wird die Baumwolle in Chargen von 3.000 kg in einem Autoklaven unter Druck mit einer 1 - 3 %ige Natriumhydroxidlösung etwa 2 - 6 Stunden lang gekocht. Die Temperatur beträgt 105 - 140 °C. Die enthaltenen Fette und harzartigen Verbindungen werden unter diesen Bedingungen gelöst (URBANSKI 1965). Zusätze von Rizinusöl oder Türkischrotöl verbessern diesen Vorgang. Unter Türkischrotöl oder Sulforicinat wird ein Gemenge aus verschiedenen Verbindungen, insbesondere aus Ricinusöl, Ricinolsäure und Dihydroxystearinsäure sowie deren Schwefelsäureester und aus Lactonen, Anhydriden und Polymeren der Ricinolsäure verstanden (RÖMPP 1989/92). Daneben werden Calciumchloridhypochlorid (sog. Chlorkalk) oder Natriumhypochlorid eingesetzt. Zur Entfernung von Mineralölverunreinigungen auf der Baumwolle wird auch das sog. Tetrapol, ein Mittel, das i. w. aus Tetrachlormethan und Tetrachlorethen besteht, verwendet (KEDESDY 1909, VOIGT 1913, ULLMANN "Gespinstfaser, Chemische Veredelung" 1919). Nachdem dieser Vorgang abgeschlossen ist, wird der Autoklav entleert. Die behandelte Baumwolle wird anschließen mit Wasser gewaschen, um Reste der Lauge zu entfernen. Der Wasserverbrauch beträgt 150 m3 pro Tonne Baumwolle (URBANSKI 1965).
Aufarbeitung von Holzzellstoff (Sulfitzellstoff)
Bei der Verwendung von ungebleichtem Holz- bzw. Sulfitzellstoff als Rohstoffbasis ist eine Bleichung erforderlich. Eine Möglichkeit besteht darin, Calciumdisulfit-Lösungen einzusetzen (sog. Sulfit-Bleiche). Der Behandlungsvorgang wird für ca. 7 - 30 Stunden bei einer Temperatur von 120 - 145 °C durchgeführt (URBANSKI 1965). Bei der sog. Sulfat-Bleiche wird eine Bleichlösung von Natriumhydroxid, Natriumsulfid und Natriumcarbonat in einem Verhältnis von 65 : 15 : 20 verwendet. Die Konzentration der Lösung beträgt 10 - 12 % bezogen auf die Natronlauge. Die Temperatur wird auf 170 - 175 °C eingestellt. Der Bleichvorgang dauert ca. 6 Stunden (URBANSKI 1965).
Weiterhin können Chlorkalk oder sog. elektrolytische Bleichlaugen eingesetzt werden (BAK R25/132). Elektrolytische Bleichungen werden auf elektrochemischem Weg hergestellt. Als reaktive bzw. bleichende Komponente dient auch hier Natriumhypochlorid (ULLMANN "Chlorbleichungen" 1916).
Nach dieser Vorbereitung der Rohstoffe, die in Apparaten unterschiedlicher Ausführungsform durchgeführt wird (vgl. hierzu ECKELT 1926), erfolgt ein gründliches Waschen in den Apparaten. Anschließend wird das überschüssige Wasser abgeschleudert. Die geschleuderte Cellulose wird in einer Naßzupfmaschine in kleine Flocken zerteilen und gelangt dann zur Trocknung. Diese erfolgt unter Vakuum in Zylindern oder Trockenschränken, bis die Cellulose nur noch einen Restfeuchtigkeitsgehalt von 1 % enthält (VOIGT 1913, ECKELT 1926).
Während des 2. Weltkrieges wurden in Deutschland auch sog. pneumatische Trockner entwickelt, wie sie auch aus anderen Industriezweigen schon bekannt waren. Das Prinzip beruht darauf, daß die Cellulose in einen Strom heißer Luft eingespeist und mit ihr bewegt wird. Die Temperatur beträgt bei dem Trocknungsvorgang ca. 80 - 110 °C. Der Restfeuchtigkeitsgehalt beträgt ca. 2 % (URBANSKI 1965).
Nitrierung der Cellulose
In dem sogenannten Nitrierwerk erfolgt die eigentliche Nitrierung der Cellulose mit der Nitriersäure. Diese wird in Abhängigkeit vom gewünschten Stickstoffgehalt der Nitrocellulose durch Mischen von Schwefelsäure, Salpetersäure und Wasser eingestellt. In der Praxis beträgt das Mischungsverhältnis ca. 2,5 - 3 Schwefelsäure zu Salpetersäure (URBANSKI 1965). VOIGT beschreibt die ursprüngliche Verfahrensweise folgendermaßen (VOIGT 1913):
"Anfänglich wurde die Nitrierung in Anlehnung an die Laboratriumsversuche in Töpfen oder in gußeisernen Kästen vorgenommen. Die Baumwolle wurde mittels eiserner Gabeln in die Säure eingetaucht und dann wurde die überschüssige Säure auf einem Rost wieder abgepreßt, so daß die Säure in den Kasten zurückfloß. Die ausgedrückte Baumwolle wurde in Chargen zu je 1 kg in Tontöpfe gefüllt, in denen sie 12 bis 24 Stunden verblieb, um "nachzunitrieren". War ungefähr die Hälfte der Mischsäure im Kasten verbraucht, so wurde frische Säure nachgefüllt, bis ein bestimmter Wassergehalt erreicht war, worauf dann die "Abfallsäure" denitriert, d. h. auf Schwefel- und Salpetersäure verarbeitet wurde.
Diese Arbeitsweise ergab ein gut durchnitriertes Produkt, allerdings wurde die erwünschte Gleichmäßigkeit in der Qualität nicht immer erreicht.
Andererseits aber war das Verfahren sehr kostspielig, weil es nicht zu vermeiden war, daß zuweilen beim Nachnitrieren Zersetzungen vorkamen, die sich auf den ganzen Vorrat von Töpfen ausdehnten und die gesamte Tagesproduktion vernichteten.
Bei einer anderen Arbeitsweise wurde wie folgt verfahren: Die Baumwolle wurde in Chargen zu je 1 kg mit 25 kg Säure in eiserne Töpfe eingetragen, gründlich untergetaucht und von Zeit zu Zeit eingedrückt, um einer Entmischung der Säure möglichst vorzubeugen. Nach 1/2 bis 3/4 Stunde wurde die ganze Topfbeschickung in eine Zentrifuge gestürzt, die Säure abgeschleudert und die abgeschleuderte Schießbaumwolle wurde in die Vorwaschbottiche entleert.
Auch dieses Verfahren war wenig rationell, erforderte viele Arbeitskräfte und großen Materialverschleiß, sowie eine intensive Beaufsichtigung, um ein einigermaßen gleichmäßiges Fabrikat zu erzielen."
Aus diesen Vorgehensweisen entwickelten sich i. w. drei verschiedenartige Einrichtungen zur Durchführung der Cellulosenitrierung: Nitriertöpfe und Nitrierzentrifugen sowie das sog. Thomsenverfahren (KAINER 1950, URBANSKI 1965):
Nitriertöpfe: Sie sind aus besonders widerstandsfähigem Material gegossen und fassen etwa 700 - 750 kg Säure. Zum Durchmischen dienen zwei Rührer mit ineinander greifenden Armen.
Zur Durchführung der Nitrierung wird der Topf etwa zur Hälfte mit Säure gefüllt. Auf die hierfür vorgesehene Öffnung wird ein Trichter aus Aluminiumblech gesetzt. Die Temperatur liegt zwischen 20 - 25 °C. Unter weiterem Säurezulauf wird dann 10 - 12 kg getrocknete Cellulose eingetragen. Hierbei werden die Rührer eingeschaltet, um die Cellulose sofort unter die Säure zu tauchen. Nach beendeter Zugabe von Cellulose und Säure wird noch einige Minuten gerührt, bis ein gleichmäßiger Brei entstanden ist, der jedoch nicht zu dünn werden darf. Die Mischung bleibt dann ruhig stehen. Etwa vorhandene Klumpen, die sich leicht aus Baumwollstaub bilden und auf der Säure aufschwimmen, werden abgeschöpft, da sie schlecht durchnitieren und die Löslichkeit der Nitrocellulose beeinträchtigen. Nach einer Nitrierzeit von 30 - 60 Minuten, je nach der Arbeitsweise des Betriebes und der angewendeten Temperatur, wird das Nitriergemisch in die im unteren Stockwerk befindliche Zentrifuge eingelassen.
Nitrierzentrifugen: Während die Nitriertöpfe lediglich zur Durchführung der chemischen Reaktion dienen und das Abschleudern der verbrauchten Säure in einer besonderen Zentrifuge erfolgt, dienen die Nitrierzentrifugen sowohl zur Umsetzung der Cellulose mit der Mischsäure als auch zur Entfernung der überschüssigen Säure. Sie bestehen aus einem eisernen Gehäuse auf Steinfundament, in dem sich mit senkrechter Achse eine durchlochte Trommel von z. B. 130 cm Durchmesser dreht. Ähnlich wie bei den Nitriertöpfen sind Rohrleitungen für den Zu- und Ablauf der Säure und ein Deckel zum Einfüllen der Cellulose sowie ein Ventilatorenanschluß vorgesehen.
Trommel und Gehäuse werden mit Säure gefüllt. Die Temperatur beträgt ca. 20 - 30 °C. Bei langsamer Drehung wird dann getrocknete Cellulose (z. B. 11 - 15 kg) mit Aluminiumgabeln in die Säure getaucht. Die Zentrifuge wird geschlossen. Während der Nitrierung läuft die Zentrifuge mit einer Geschwindigkeit von 20 bis 30 Umdrehungen pro Minute. Die Nitrierzeit beträgt 20 - 60 Minuten. Die nach außen gedrängte Säure läuft über den Rand der gelochten Trommel nach unten, dann unterhalb der Trommel in die Mitte, steigt dort hoch und tritt durch die dort angebrachten Öffnungen wieder in das Innere der Trommel. Die Cellulose wird also ständig radial von der Säure durchströmt. Die Nitrierzeit und die Nitriertemperatur richten sich nach der Art der herzustellenden Nitrocellulose. Nach beendeter Einwirkung läßt man die Säure abfließen und schleudert mit einer Geschwindigkeit von etwa 800 Umdrehungen pro Minute die Nitrocellulose ab.
Thomson-Verfahren: Im Unterschied zu den Nitrierzentrifugen wird die überschüssige Säure nicht abgeschleudert, sondern nach Beendigung der Nitrierung durch langsames Zufließen von Wasser verdrängt.
Die Nitriergefäße sind hierbei von verhältnismäßig flacher Form (Pfannen mit Deckel). Die Cellulose ruht auf einem Sieb und ist von einem weiteren Sieb bedeckt. Nach beendeter Nitrierung läßt man die Säure langsam nach unten abfließen und gleichzeitig von oben her Wasser mit so geringer Geschwindigkeit zufließen, daß sich Säure und Wasser nicht mischen. Die verbrauchte Säure bleibt längere Zeit unverdünnt, dann folgt für kurze Zeit verdünnte Säure, und schließlich saures Waschwasser. Diese Arbeitsweise zeigt neben dem Vorzug der Säureeinsparung auch verschiedene Nachteile. So dauert das Verdrängen der Säure sehr lange, da sich bei zu schnellem Wasserzufluß die Säure mit Wasser mischt, was zu einer Denitrierung der Nitrocellulose führt. Außerdem ist die Aufarbeitung der großen Mengen an verdünnter Säure sehr umständlich. Man ist daher von der Benutzung der Thomson-Anlage wieder abgekommen.
Abschleudern der Nitrocellulose
Nach Beendigung des Nitriervorganges wird die Nitrocellulose, wie schon erwähnt, in Zentrifugen von der überschüssigen Säure so weit wie möglich befreit. Hierzu dienen entweder die Nitrierzentrifugen selbst oder besondere Schleudertrommeln, in die das Nitriergemisch langsam eingelassen wird.
Die Säuren haften so hartnäckig an der Faser, so daß trotz vielfältiger Verfahrensvarianten eine erhebliche Menge Säure verloren geht. Um dies zu vermeiden, wurden Zentrifugen entwickelt, in die während des Laufens Schwefelsäure eingespritzt werden kann. Die anhaftende Säure wird aus den bereits abgeschleuderten Fasern verdrängt. Durch Einspritzen von Wasser kann auch die Schwefelsäure wieder gewonnen werden, allerdings nur in verdünnter Form (KAINER 1950).
Während des 2. Weltkrieges wurde in Krümmel und Aschau ein verändertes Verfahren angewandt (URBANSKI 1965). Hierbei wurde die Cellulose in Papierform (Krepp) nitriert. Die Nitrierung erfolgte in einem Rührkesselreaktor. Die Temperatur der Säure betrug 30 °C (Krümmel) bzw. 18 °C (Aschau). In Krümmel wurden Chargen von 25 kg 30 Minuten lang, in Aschau Chargen von 21 kg 40 Minuten lang nitriert. Die Temperatur nach der Nitrierung betrug 25 °C. Nach der Nitrierung wurde der Inhalt des Reaktors einer Zentrifuge zugeleitet und die Säure abgeschleudert. Die Abfallsäure wurde der Säureregeneration zugeführt (BIOS 1039, CIOS XXVII-73, URBANSKI 1965).
Waschen und Stabilisierung
Die Nitrocellulose enthält nach dem Abschleudern noch einen Säuregehalt von etwa 1 %. Sie wird in sog. Vorwaschbottichen mehrmals mit kaltem Wasser gewaschen. Aus den Vorwäschern gelangt das Nitriergut in die Kocher, in denen es mit Dampf unter fünf- bis achtmaliger Wassererneuerung stabil gewaschen wird. Die Kocher besitzen ein Fassungsvermögen von 2 - 50 m3. Dieser Kochvorgang kann bis zu mehreren Tagen dauern.
In der Fabrik in Krümmel wurde z. B. zum Kochen der Nitrocellulose Kocher von 14 m3 Fassungsvermögen benutzt. Die Kochdauer betrug zwischen 3 und 8 Stunden. In Aschau wurde beim Kochen noch eine 0,5 %ige Schwefelsäure-Lösung zugefügt. Der Vorgang dauerte zwischen 8 und 10 Stunden. In beiden Fabriken wurde mit Druck gearbeitet (BIOS 1039, CIOS XXVII-73, URBANSKI 1965).
Zur Entfernung der letzten Säurereste und besonders der instabilen Nebenprodukte, die sich besonders im Inneren der Fasern befinden, wird das Nitriergut in sog. Mahl-Holländern gemahlen. Aus den Holländern gelangt die zerkleinerte Nitrocellulose in Koch- und Rührgefäße, in denen sie stabil gekocht wird. Sie wird anschließend in Zentrifugen bis auf etwa 30 % Wassergehalt entwässert. In dieser Form ist die Nitrocellulose lagerfähig und ungefährlich (VOIGT 1913, ECKELT 1926).
In der Regel wird die Nitrocellulose direkt zu Pulvern weiterverarbeitet (vgl. Kap. B 2.2.3 ff). Zur Zwischenlagerung werden große, hölzerne, mit Deckel versehene Kisten verwendet, die innen mit Blei oder Aluminum ausgeschlagen sind, um eine Infizierung mit Bakterien zu verhindern (VOIGT 1913). ESCALES gibt in diesem Zusammenhang an, daß in Deutschland zum Schutz gegen Schimmelwucherungen eine Behandlung mit Quecksilbersublimat-Lösung (Quecksilber(II)chlorid (Hg2Cl2)) durchgeführt wird (ESCALES 1905). VOIGT weist ebenfalls auf diesen Sachverhalt hin. Die Nützlichkeit dieser Desinfizierung wird von VOIGT jedoch eher als gering eingeschätzt (VOIGT 1913).
Aufgrund der vorliegenden Quellenlage ist nicht auszuschließen, daß zumindest bis zum Beginn bzw. während des 1. Weltkrieges eine solche Behandlung durchgeführt wurde.
Säureregeneration
Die verbrauchte Nitriersäure, die auch als Abfallsäure bezeichnet wird, läuft aus den Nitriereinrichtungen in einen tiefer stehenden Druckkessel, von wo aus sie mittels Druckluft in Vorratsbehälter gepumpt wird. Hier wird sie durch Zugabe genau berechneter Mengen Salpetersäure, Schwefelsäure und/oder Oleum aufgefrischt.
Die Abfallsäure reichert sich nach längerem Gebrauch mit Nitrocellulosefasern an. Sie verdicken die Mischsäure und machen sie zum weiteren Gebrauch ungeeignet, wenn nicht durch Filtration über Stein- oder andere säurefeste Filter die Verunreinigungen entfernt werden. Die Abfallsäure wird dann denitriert, d. h. von der darin befindlichen Salpetersäure befreit, worauf die zurückbleibende wasserhaltige und unreine Schwefelsäure gereinigt und aufkonzentriert wird.
Denitrierung
VOIGT beschreibt die Methoden zur Denitrierung folgendermaßen (VOIGT 1913):
Die Abfallsäure wird aus Druckgefäßen (Saftheber) in einen hochgelegenen gußeisernen Behälter gedrückt, von wo sie kontinuierlich in einen gußeisernen, eingemauerten und mit direkter Feuerung versehenen Kessel läuft; der Kessel ist mit einem Überlaufrohr versehen und durch einen gußeisernen Deckel gut verschlossen. Der Deckel hat einen engen Zulauf- und einen weiten Abzugsstutzen. Der Kesselinhalt wird vorsichtig und schwach angewärmt und auf 90 °C gehalten, wobei nur die Salpetersäure aus dem Säuregemisch entweicht, ohne daß Wasserdämpfe oder Schwefelsäure mitgerissen werden. Die abziehenden nitrosen Gase werden in vorgelegten Kondensgefäßen, Tourills, Röhren oder Türmen verflüssigt und gereinigt, während die zurückbleibende Schwefelsäure in einen etwas tiefer stehenden Kessel aus säurefestem Guß abläuft, in dem sie unter starker Erhitzung entwässert wird, wobei die darin befindlichen Schießwollreste zerstört werden. Die Säure läuft hier mit einem Gehalt von 92 % Monohydrat ab und wird dann entweder weiter konzentriert oder für andere chemische Zwecke direkt verwendet.
Eine andere Methode, die Abfallsäure zu denitrieren, beruht darauf, daß die Säure aus einem hochgelegenen Behälter in einen mit Platten ausgelegten Turm läuft, während ihr von unten Dampf entgegengeblasen wird. Dadurch wird die Salpetersäure aus dem Säuregemisch ausgetrieben, zieht durch einen Stutzen in eine vorgelegte Kühlanlage ab und kondensiert dort. Die durch das aufgenommene Wasser verdünnte Schwefelsäure läuft unten ab und wird aufkonzentriert oder für andere chemisch-industrielle Zwecke verwendet. Sie besitzt einen Gehalt von etwa 45 % Monohydrat.
Aufkonzentrierung der Schwefelsäure
Die Aufkonzentrierung der verdünnten Schwefelsäure kann nach unterschiedlichen Verfahren durchgeführt werden, z. B. nach dem PAULING- oder KESSLER-Verfahren. Das gemeinsame Wirkprinzip der Verfahren besteht darin, daß entweder durch direkte oder indirekte Wärmezufuhr das Wasser aus der verdünnten Säure ausgetrieben wird. Ggf. wird konzentrierte Schwefelsäure zur Beschleunigung dieses Vorganges eingesetzt (ULLMANN "Schwefel und Schwefelverbindungen" 1964).

1.1 Rückstände

Als wesentliche Rückstandsquelle sind die Produktionsabwässer anzusehen. Sie fallen bei der Aufbereitung der Rohstoffe sowie bei den Wasch- und Stabilisierungsstufen der Nitrocellulose in erheblichen Mengen an. Insbesondere die Abwässer aus den Reinigungs- und Bleichvorgängen bergen ein nicht zu unterschätzendes Gefährdungspotential. Ähnlich wie bei der Zellstoffgewinnung in der Papierindustrie ist eine Bildung chlororganischer Verbindungen bis hin zu Dioxinen zu unterstellen. Bei Abwässern aus der Zellstoffbleiche ist dieser Zusammenhang bereits hinreichend untersucht und bekannt (vgl. u. a. RIPPEN "2,3,7,8-TCDD" 1992).
Des weiteren besteht die Möglichkeit, daß die anfallende Abfallsäure nicht immer in den Produktionsprozeß zurückgeführt oder denitriert, sondern verworfen wurde.

1.2 Kontaminationsrelevante Faktoren

Handhabungsverluste
Die Nitrocelluloseherstellung erfolgte in wäßriger Phase. Bei den Aufbereitungsschritten, den Transportvorgängen innerhalb der Betriebseinrichtungen (u. a. Nitrierwerk, Kochhaus) und den Wasch- und Stabilisierungsvorgängen waren daher Handhabungs- und Abtropfverluste unvermeidlich. Ebenso konnten beim Mischen der Nitriersäure und beim Umpumpen der Abfallsäure entsprechende Verluste auftreten.
Bei Desinfektionsmaßnahmen an Lagerbehältern, die vermutlich mindestens bis zum Beginn des 1.Weltkriegs durchgeführt wurden, konnten quecksilberhaltige Verbindungen freigesetzt werden.
Emissionen
Bei der Nitrierung konnten erhebliche Mengen nitroser Gase freigesetzt werden.
Abwässer
Eine undichte Kanalisation konnte zu einer Versickerung der Produktionsabwässer führen. Wahrscheinlich wurden die Abwässer aufgrund ihres hohen organischen Anteils in Absetzbecken vorgeklärt und dann in den Vorfluter abgegeben oder versickert. Eine Anreicherung chlororganischer Verbindungen in diesen Bereichen (z. B. Kanalisation, Absetzbecken, Sedimente) ist möglich.
Rückstände
Wenn eine Klärung der Abwässer in Absetzbecken oder Schlammteichen erfolgte, fielen entsprechende Schlämme an. Sie mußten von Zeit zu Zeit ausgeräumt werden. Hieraus resultieren ggf. auch Schlammablagerungen bzw. Rückstandshalden, in denen chlororganische Verbindungen enthalten seien können.

1.3 Einschätzung der Umweltrelevanz

1.3.1 Mengenaspekte

Zu den mengenmäßig bedeutenden Stoffen bei der Herstellung der Nitrocellulose zählen neben den eingesetzten Rohstoffen (Baumwolle, Linters, Sulfitcellulose) die Nitriersäure (Schwefelsäure, Salpetersäure), Oleum sowie die Aufarbeitungsmittel (Chlorkalk, Natriumhypochlorid, Tetrachlormethan, Tetrachlorethen).
Als mengenmäßig weniger relevante Substanzen sind das Desinfektionsmittel Quecksilber(II)chlorid sowie chlororganische Verbindungen (ggf. auch Dioxine) zu nennen. Quecksilber(II)chlorid kommt vermutlich nur im Zeitraum bis zum Ende des 1. Weltkrieges eine Relevanz zu. Hinweise auf eine darüber hinausgehende Anwendung liegen nicht vor.
Gasförmig auftretende Nebenprodukte wie Stickoxide sowie die eingesetzten Rohstoffe werden aufgrund ihrer unter heutigen Gesichtspunkten geringen Relevanz nicht weiter bewertet.
Anmerkung
Die Bewertung des hergestellten Produktes, der Nitrocellulose, erfolgt im Rahmen des Kap. B 2.2.3.3.

1.3.2 Bodenverunreinigungen

Als Stoffe, die zur Herstellung von Nitrocellulose eingesetzt wurden und denen von der LAGA-Liste ein bodenverunreinigendes Potential zugewiesen wird, zählen Quecksilber und Quecksilberverbindungen, die Säuren sowie Tetrachlorethen und Tetrachlormethan. Die aufgeführten Substanzen hatten bereits maßgeblichen Einfluß bei der Gefahrenbeurteilung und Sanierungsentscheidung anderer Altlastenfälle bzw. sind in der Umgebung von Altlasten festgestellt worden. Gleiches gilt auch für die als Nebenprodukt der Bleiche auftretenden chlororganischen Verbindungen, als deren Vertreter hier 2,3,7,8-TCDD genannt sein soll (LAGA 1991).
Säuren werden insgesamt als bodenverunreinigend eingestuft, weil sie u. a. die Mobilisierung von Schwermetallen bewirken können (LAGA 1991).
Oleum, Chlorkalk und Natriumhypochlorid sind bislang nicht in der LAGA-Liste verzeichnet. Eine Belastung des Bodens mit gebildeten Sulfaten und Chloriden ist zu unterstellen. Sulfate können z. B. wegen ihrer Betonaggressivität Bauwerke angreifen.

1.3.3 Menschliche Gesundheit

Die eingesetzten Säuren (Salpeter-, Schwefelsäure) sind als ätzend eingestuft, was bei direktem Kontakt (ggf. vorhandene Lager- und Reaktionsbehältnisse) zu berücksichtigen ist. Im Boden liegen die Säuren in dissoziierter Form bzw. als Nitrat oder Sulfat vor. Die direkten Auswirkungen auf den Menschen werden als gering eingeschätzt.
Oleum ist in der LAGA-Liste nicht verzeichnet (LAGA 1991). Gesundheitsgefährdungen ergeben sich nach HOMMEL durch Dämpfe, die sehr stark die Augen, die Haut und die Atemwege reizen. An den Atmungsorganen können Glottis- und Lungenödeme hervorgerufen werden. Ein Kontakt mit der Flüssigkeit verursacht schwerste Verätzungen und Zerstörung der betroffenen Hautpartien. Als auftretende Symptome sind Brennen und Schmerzen der Augen, der Nasen- und Rachenschleimhäute sowie der Haut zu nennen. Es entsteht ein sehr starker Reizhusten und Atemnot. Des weiteren ist hinsichtlich des Arbeitsschutzes anzumerken, daß Oleum heftig mit Metallen reagiert, wobei leicht entzündlicher Wasserstoff entsteht. Die Substanz zerstört viele Kunststoff- und Gummiarten nach kurzer Einwirkung (HOMMEL 1993). Aufgrund der Neigung des Oleums rasch bzw. heftig mit Wasser zu reagieren, ist ein direkter Kontakt mittlerweile als unwahrscheinlich einzuschätzen, wenn von dem Vorhandensein von Lagerbehältnissen abgesehen wird.
Die anorganischen Bleichmittel, Natriumhypochlorid und Calciumhypochlorid (Chlorkalk) können Gefahren für die menschliche Gesundheit bewirken. Nach HOMMEL verursachen Dämpfe von Natriumhypochlorid sowie die Flüssigkeit selbst Verätzungen der Augen, der Haut und besonders der Atmungsorgane bis hin zum Lungenödem, das sich meist mit Stunden Verzögerung einstellt. Bei Erhitzen bis zur Zersetzung oder bei Kontakt mit Säuren oder säurehaltigen Dämpfen werden stark ätzende Chlorgase freigesetzt. Als Symptome sind u. a. Brennen und Schmerzen der Augen, der Nasen- und Rachenschleimhäute sowie der Haut zu nennen (HOMMEL 1993).
Calciumhypochlorid verursacht bei Kontakt mit den Augen Tränenfluß und Bindehautentzündungen. Es besteht die Gefahr der Erblindung. Ein Kontakt mit der Haut kann Blasenbildung bis hin zu Verätzungen bewirken. Ein Einatmen des Staubes reizt die Atemwege (HOMMEL 1993).
Die zu Reinigungszwecken eingesetzten organischen Lösungsmittel (Tetrachlormethan, Tetrachlorethen) sind nach der LAGA-Liste als sehr giftig (Tetrachlormethan) bzw. mindergiftig (Tetrachlorethan) bezüglich der akuten Säugetiertoxizität eingestuft. Tetrachlormethan weist ein hohes krebserzeugendes Potential auf. Es besteht die Gefahr der Hautresorption. Tetrachlorethen wird in dieser Liste ebenfalls ein vergleichsweise hohes krebserzeugendes Potential zugewiesen und sein Langzeitgefährdungspotential ist kritisch einzuschätzen (LAGA 1991).
Nach HOMMEL wirken Tetrachlormethan-Dämpfe narkotisch und bewirken Herzrhythmusstörungen. Leber- und Nierenschäden treten mit Verzögerung auf. Beim Erhitzen entstehen große Mengen des hochgiftigen Phosgengases und Chlorwasserstoff. Als Symptome sind u. a. Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Verwirrtheit, Benommenheit, Bewußtlosigkeit und Atemstillstand zu nennen. Es sei auch darauf hingewiesen, daß bei einer Geruchswahrnehmung bereits Gesundheitsschädigungen eingetreten sein können, da diese Wahrnehmung nicht den Umfang der Gefahr andeutet (HOMMEL 1993).
Bei Tetrachlorethen handelt es sich nach HOMMEL um eine gesundheitsschädliche, nicht brennbare Flüssigkeit. Die Dämpfe wirken betäubend und reizen bei mehr als 100 ppm die Augen und die Atemwege. Ein Kontakt mit der Flüssigkeit führt zu Reizungen der Augen und der Haut. Die Flüssigkeit wird über die Haut aufgenommen. Bei Kontakt mit heißen Flächen oder offenem Feuer bildet sich neben Chlor auch hochgiftiges Phosgengas. Symptome sind u. a. Tränen und Brennen der Augen, Brennen der Nasen- und Rachenschleimhäute sowie der Haut. Es treten Kopfschmerzen, Erbrechen, Schwindel, Muskelschwäche, Zittern, Unruhe, Herzrhythmusstörungen, Rausch und Bewußtlosigkeit auf (HOMMEL 1993).
Auch von den als Verunreinigungen auftretenden chlororganischen Verbindungen geht ein erhebliches Gefährdungspotential aus. So ist 2,3,7,8-TCDD nach der LAGA-Liste als sehr giftig bezüglich seiner akuten Säugetiertoxizität eingestuft. Das krebserzeugende Potential ist äußerst hoch eingestuft. Gleiches gilt auch für das Langzeitgefährdungspotential (LAGA 1991).
Gefahren für die menschliche Gesundheit gehen auch von Quecksilber und seinen Verbindungen aus. Nach der LAGA-Liste ist Quecksilber als sehr giftig in Bezug auf seine akute Säugetiertoxizität eingestuft. Es kann inhalativ aufgenommen werden. Dies gilt in verstärktem Maße für das mikrobielle Umwandlungsprodukt Dimethylquecksilber. Das Langzeitgefährdungspotential wird sehr kritisch bewertet, da kumulative Wirkungen zu befürchten sind. Des weiteren besteht die Gefahr der Hautresorption, was besonders bei direktem Kontakt mit schadstoffbelasteten Material (z. B. belastetes Mauerwerk, Boden) zu berücksichtigen ist (LAGA 1991).
Quecksilber(II)chlorid führt nach HOMMEL zu starker Reizung und Verätzung der Atemwege, der Lunge und der Haut. Lungenschäden bis hin zum Glottis- und Lungenödem sind möglich. Ein Kontakt mit dem festen Stoff führt zu sehr starker Reizung und Verätzung der Augen und der Haut. Es treten schwere Darmstörungen, Nierenschädigungen bis hin zum Nierenversagen auf. Lösungen können über die Haut aufgenommen werden. Als Symptome sind u. a. Brennen und Schmerzen der Augen, der Nasen- und Rachenschleimhäute sowie der Haut, Reizhusten, Übelkeit, Erbrechen, Leibschmerzen und Atemnot zu nennen (HOMMEL 1993).

1.3.4 Gefährdungspfad Wasser

Für die beteiligten Säuren ist nach der LAGA-Liste grundsätzlich eine Ausbreitung über den Wasserpfad möglich. Aufgrund der zur Nitrierung benötigten großen Mengen an Schwefel- und Salpetersäure, sowie der anfallenden Waschwässer ist eine Ausbreitung sehr wahrscheinlich. Schwefelsäure und Salpetersäure sind als schwach wassergefährdend (WGK 1) eingestuft. In der Kombination als Nitriersäure ist ein höheres Gefährdungspotential zu konstatieren (WGK 2) (ROTH/DAUNDERER).
Oleum reagiert heftig bei einer Vermischung mit Wasser. Hierbei wird viel Wärme freigesetzt und es entsteht Schwefelsäure (vgl. oben) (HOMMEL 1993). Oleum ist als wassergefährdende Substanz (WGK 2) eingestuft (ROTH/DAUNDERER).
Auch bei Tetrachlormethan und Tetrachlorethen ist nach der LAGA-Liste eine Ausbreitung über den Wasserpfad möglich (LAGA 1991). Tetrachlormethan löst sich kaum in Wasser und sinkt ab (HOMMEL 1993). Es ist ein sehr gefährlicher Wasserschadstoff (WGK 3) (ROTH/DAUNDERER). Tetrachlorethen löst sich nur geringfügig in Wasser und sinkt ebenfalls ab (HOMMEL 1993). Es ist in die Wassergefährdungsklasse 3 eingestuft (ROTH/DAUNDERER).
2,3,7,8-TCDD ist nach der LAGA-Liste nicht relevant für den Wasserpfad (LAGA 1991). Ähnlich wie bei den PAK wird davon ausgegangen, daß Dioxine im Boden nur wenig mobil sind (RÖMPP 1989/92).
Quecksilber und Quecksilberverbindungen sind nach der LAGA-Liste ebenfalls als relevant für den Gefährdungspfad Wasser gekennzeichnet (LAGA 1991). Quecksilber(II)chlorid ist schwerer als Wasser und sinkt unter. Es bilden sich giftige und ätzende Gemische mit Wasser, die auch bei großer Verdünnung noch wirksam sind (HOMMEL 1993). Quecksilber(II)chlorid ist zudem ein sehr gefährlicher Wasserschadstoff (WGK 3) (ROTH/DAUNDERER).

1.3.5 Gefährdungspfad Luft

Säuren sind nach der LAGA-Liste generell als relevant für den Gefährdungspfad Luft gekennzeichnet (LAGA 1991). Es ist jedoch davon auszugehen, daß sowohl die Salpetersäure als auch die Schwefelsäure in dissoziierter Form im Boden als Nitrat bzw. Sulfat vorliegen. Die Gefahr der Ausgasung über die Bodenluft wird daher als gering eingeschätzt.
Oleum entwickelt bei normaler Temperatur an der Luft dichte weiße Nebel (HOMMEL 1993). Aufgrund der heftigen Reaktion bei Wasserzutritt und der Bildung von Schwefelsäure ist eine Gefährdung über den Luftpfad analog der oben genannten Säuren zu beurteilen.
Die Ausbreitungsmöglichkeit über den Luftpfad für die in der LAGA-Liste nicht verzeichneten anorganischen Bleichmittel (Chlorkalk, Natriumhypochlorid) wird als gering eingeschätzt.
Tetrachlormethan und Tetrachlorethen hingegen sind in der LAGA-Liste als relevant bezüglich des Gefährdungspfades Luft eingestuft (LAGA 1991). Beim Freiwerden und Vermischen mit Luft bilden sich nach HOMMEL giftige Gemische, die schwerer als Luft sind und am Boden entlang kriechen (HOMMEL 1993).
Nach der LAGA-Liste ist zu erwarten, daß Quecksilber und seine Verbindungen sich über den Luftpfad, d. h. über die Gasphase (auch aus wässrigen Lösungen), ausbreiten können. Der für ein Schwermetall relativ hohe Dampfdruck und bekannte Schadensfälle geben Anlaß für diese Einstufung. Eine inhalative Aufnahme quecksilberhaltiger Dämpfe ist daher nicht auszuschließen.
Bei 2,3,7,8-TCDD ist nach der LAGA-Liste grundsätzlich die Möglichkeit einer Ausbreitung über den Luftpfad gegeben (LAGA 1991).

1.3.6 Gefährdungspfad Pflanze

Bezüglich des Gefährdungspfades Pflanze gehen von den eingesetzten Säuren nach der LAGA-Liste negative Eigenschaften aus (LAGA 1991). Gleiches wird auch für Oleum angenommen, das bei Wasserzutritt zu Schwefelsäure reagiert und daher ähnlich zu bewerten ist.
Über die Auswirkungen der anorganischen Bleichmittel (Chlorkalk, Natriumhypochlorid) auf den Pflanzenpfad liegen keine Informationen vor.
Die organischen Lösungsmittel (Tetrachlormethan, Tetrachlorethen) sind nach der LAGA-Liste bezüglich des Gefährdungspfades Pflanze nicht eingestuft.
Quecksilber und seine Verbindungen können aufgrund ihrer Eigenschaften entweder pflanzenschädigend wirken oder für den Menschen schädliche Rückstände in Nutzpflanzen bilden. Eine Aufnahme dieser Verbindungen über den Pflanzenpfad ist daher nicht auszuschließen.
Bezüglich des Gefährdungspfades Pflanze ist 2,3,7,8-TCDD in der LAGA-Liste noch nicht bewertet worden (LAGA 1991).